1. Kurze Einleitung

„Alle Menschen trachten danach, glücklich zu sein“.

(Blaise Pascal)

Glück hat etwas Gemeinsames mit Liebe. Beide liegen dicht bei einander. Da ich mir vorstelle, dass Freimaurerei und Freimaurertum die Fähigkeit zur Liebe fördern, möchte ich hier skizzieren, was ich unter die allumfassende Liebe verstehe. Es ist zunächst einmal erforderlich, den Begriff Liebe umzureißen.

2. Was ist überhaupt Liebe?

In allen Glaubensrichtungen wird die Liebe immer wieder verkündet. Der bekannteste Satz darüber hat Meister Jesus ausgesprochen. Er sagte zu seinen Jüngern:

„Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebet einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt ihr einander lieben“.

(Die Bibel, Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Altes Testament, Joh 13,34)

Im Allgemeinen sind uns verschiedene Arten der Liebe bekannt, die auch Erich Fromm in seinem Buch Die Kunst des Liebens beschreibt:

„Nächstenliebe, Mütterliebe, erotische Liebe, Selbstliebe und Liebe zu Gott“.

(Erich Fromm, die Kunst des Liebens, New York, 1956).

Die Beschreibung dieser Arten der Liebe überspringt den Rahmen dieses Vortrags. So bleibe ich nur bei deren Erwähnung. Die Summe dieser Arten der Liebe ergibt aber nicht die allumfassende Liebe. Der französische Schriftsteller André Gide schrieb seinerzeit in seinem berühmten Roman Les Nourritures terrestres folgende Worte:

„Je mehr Liebe ich gebe, desto glücklicher bin ich“.

(Vgl. Gide, André, Les Nourritures terrestres, Paris 1897).

Liebe zu empfangen und zu geben ist eine Eigenschaft des Menschen. Sie ist eine schwingende Energie, die wie jede andere Energie nicht zerstörst sondern nur gebrochen werden kann. Bricht diese Anziehungskraft zwischen zwei Menschen, dann erlöscht die Liebe. Diese Eigenschaft kann erlernt werden. Und durch die brüderliche Geselligkeit und die Arbeit in der Loge kann dies nur gelingen. Über die Liebe sagte Mahatma Gandhi:

„Liebe ist die stärkste Macht der Welt, und auch die demütigste, die man sich vorstellen kann. Wo Liebe wächst, gedeiht Leben, wo Hass aufkommt, droht Untergang.“

(Siehe Wikipedia über Gandhis Worte über die Liebe).

Das Wissen kann auch dazu beitragen, dass sich die Liebe in uns entwickelt. Dazu schrieb Paracelsus:

„Wer nichts weiß, liebt nichts. Wer nichts tun kann, versteht nichts. Wer nichts versteht ist nichts wert. Aber wer versteht, der liebt, bemerkt und sieht auch. Je mehr Erkenntnis einem Ding innewohnt, desto größer ist die Liebe…Liebe ist der höchste Grad der Arznei.“

(Paracelsus, zitiert durch Wikipedia).

Gestatten Sie mir hier zu erwähnen, dass im Koran immer wieder von den Wissenden die Rede ist. Nur die Wissenden sind in der Lage, die Heilige Schrift zu verstehen und dadurch wahre Liebe zu praktizieren. Nun möchte ich einige Worte über die allumfassende Liebe sagen.

3. Die allumfassende Liebe

Was versteht man also darunter? Darunter ist die Selbstliebe, die Liebe zu allen Menschen ohne Ausnahme, zu allen Lebewesen, zur Natur und zu Gott zu verstehen. Sie kennt nur das, was alle Menschen zusammenhält, einzig und allein die Essenz des Menschen. Sie befähigt die Menschen dazu, die Tiere und die Natur zu lieben, große Achtung vor der Umwelt zu haben. In dem Büchlein mit dem Titel Freimaurer in 60 Minuten steht diese Aufforderung an den Lehrling: „Schaue in dich…“. Diese ist gleichbedeutend wie „Erkenne dich selbst“, das die alten griechischen Philosophen zu sagen pflegten. „In sich schauen“ oder „sich selbst erkennen“ kann die allumfassende Liebe in uns fördern oder sogar stärken. Wir kennen die 4 (vier) Prinzipien oder Elemente der Natur, nämlich Luft, Feuer, Wasser und Erde. Unter ihnen ist Feuer ein Erzeuger der Liebe; seine größere und sichtbare Form ist die Sonne, welche die ganze Welt im Großen und Ganzen erhellt und erwärmt. Ihre Schwingungen reichen bis in die Herzen der Menschen hinein und erzeugen ihrerseits die Wärme, welche die Liebe belebt. Aus dem Zentrum des Herzens wird die Liebe nach außen gesendet. Auch was wir immer tun mögen, benötigen wir die Hilfe, das Erbarmen, ja sogar den Segen des Allmächtigen Baumeisters aller Welten. Dies ist nur dann möglich, wenn wir an Ihn glauben. Glaube und allumfassende Liebe sind untrennbar, ebenso sind Glaube und Humanität nicht zu trennen. Nun was ist Glaube? Eine Definition des Glaubens liefert uns Tierno Bokar. Er war ein westafrikanischer Weisheitslehrer aus Mali, ein Sufi Meister. Er sagte:

„Den Glauben kann man nicht zählen wie die Einwohner eines Dorfes, nicht messen wie die Entfernung zwischen zwei Städten. Man kann ihn nicht wiegen wie Weizen oder Früchte. Ich definiere den Glauben als die Summe unseres Vertrauens zu Gott und die Stärke unserer Überzeugung davon. Er ist auch die Treue zu Gott“.

(Thierno Bokar, zitiert nach Amadou Hampaté Ba, in Vie et enseignement de Thierno Bokar, Le Sage de Bandiagara, Points, Paris).

Der Glaube ist also der Baustein der allumfassenden Liebe.